Am 22.05.2019 hat der BGH unter den Aktenzeichen VIII ZR 180/18 und VIII ZR 167/17 ein Grundsatzurteil über die Härtefallregelung bei Eigenbedarfskündigungen getroffen. Genauer gesagt mussten die Karlsruher Richter sich mit zwei vorinstanzlichen Berufungsurteilen auseinandersetzen.
In diesem Beitrag werde ich euch die beiden Sachverhalte, die zu einer Eigenbedarfskündigung geführt hatten, erläutern. Weiterhin gehe ich auf die vorinstanzlichen Entscheidungen und anschließend auf das Urteil des Bundesgerichtshofes ein. Am Schluss werde ich die möglichen Auswirkungen dieses Urteils erörtern. Auf geht´s!
Eigenbedarfskündigung einer 80-jährigen Mieterin (VIII ZR 180/18)
Im ersten Fall handelte es sich um eine 80-Jährige Mieterin, die seit 1974 gemeinsam mit ihren zwei 50-jährigen Söhnen in einer 73 qm Dreizimmerwohnung in Berlin wohnt.
Der Vermieter, der mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kleinkindern bislang zur Miete in einer 57 qm Zweizimmerwohnung wohnte, kaufte 2015 die o.g. Wohnung zur Eigennutzung.
Der daraufhin ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung widersprach die Mieterin und fügte, in der ersten Instanz vor dem Amtsgericht Charlottenburg, als Gründe die lange Mietzeit, die tiefe Verwurzelung in dem Wohnumfeld, ihr hohes Alter und ihre fortschreitende Demenzerkrankung an. Die Demenzerkrankung wurde vor dem Berufungsgericht (Landgericht Berlin) mittels eines hausärztlichen Attestes belegt, welches ausführte, dass ihre Demenz seit ca. zwei Jahren voranschreite. Weiterhin attestierte der Hausarzt, dass eine neue Umgebung für die Patientin eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes zur Folge haben könnte.
Das Berufungsgericht erkannte zwar die Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung an, wies die Räumungsklage des Vermieters jedoch ab. Als Grund dafür wurde ein Härtefall gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB durch den Vorsitzenden bejaht. Das hatte zur Folge, dass das Mietverhältnis sich gemäß § 574a Abs. 2 Satz 2 BGB auf unbestimmte Zeit fortsetzte.
Eigenbedarfskündigung von Mietern mit Erkrankungen (VIII ZR 167/17)
2005 mieteten sich die beiden Mieter in eine Doppelhaushälfte im Umland von Halle ein. Mit im Haushalt leben zum Zeitpunkt der Eigenbedarfskündigung auch der volljährige Sohn der Mieterin und der Bruder des Mieters.
Im Jahr 2015 kündigen die geschiedenen Vermieter mit der Begründung, dass die Ex-Ehefrau, die zu diesem Zeitpunkt in Bayern lebte, in die Nähe ihrer pflegebedürftigen Großmutter müsste, um diese zu betreuen.
Die Mieter widersprachen der Kündigung mit der Begründung, dass der Eigenbedarf vorgeschoben sei und der wahre Grund Mietstreitigkeiten zwischen Mieter und Vermieter seien, was den ordnungsgemäßen Zustand der Mietsache angeht. Weiterhin beriefen sich die Mieter auf Krankheiten der Mieterin und des Bruders des Mieters. Insbesondere dieser habe die Pflegestufe II aufgrund diverser Erkrankungen (Schizophrenie, Alkoholkrankheit, Inkontinenz, Demenz, Abwehrhaltung bei der Pflege). Dieser wird von den beiden Mietern im häuslichen Haushalt versorgt, wobei der Mieter (Bruder des Erkrankten) der gesetzlich bestellte Betreuer ist.
In den Vorinstanzen wurde die Eigenbedarfskündigung als rechtmäßig erachtet und einer Räumungsklage, ohne eine Beweisaufnahme über den strittigen Eigenbedarf, stattgegeben. Ein von den Mietern beantragtes Sachverständigengutachten erachtete das Amtsgericht Halle als nicht notwendig.
In der Berufungsinstanz vor dem Landgericht Halle legten die Mieter ein ärztliches Attest eines Psychiaters vor, welches bescheinigte, dass ein erzwungener Umzug den Gesundheitszustand des Patienten erheblich verschlechtern würde. Die Berufungsinstanz verneinte jedoch ebenfalls eine unzumutbare Härte mit der Begründung, dass sich aus dem vorliegenden Attest eine drohende schwerwiegende Beeinträchtigung oder drohende Lebensgefahr nicht ergebe.
Das Urteil des Bundesgerichtshofes
Der BGH hob beide Berufungsurteile auf und wies die Sache zur Klärung der Härtefallgründe zurück. Da hier sowohl auf Seiten der Vermieter als auch auf Seiten der Mieter tangierte Grundrechte stehen (Eigentum und Gesundheit), ist eine sorgfältige Einzelfallprüfung unter Einbeziehung des jeweiligen Interessensüberhangs gemäß § 574 Abs. 1 BGB unumgänglich. Eine tendenziell vorzufindende Urteilsfindung bei den Instanzgerichten, die z.B. ein bestimmtes Alter oder eine lange Mietdauer als Fallgruppe für einen generellen Interessensüberhang angeben, ist unzulässig. So wirkt sich das Alter oder eine lange Mietdauer, je nach Persönlichkeit, sowie körperlicher und psychischer Verfassung des Mieters unterschiedlich stark aus und rechtfertigt daher ohne Einbeziehung der individuellen Folgen nicht die Annahme eines Härtefalles.
Der BGH verwies auf das bereits ergangene Urteil VIII ZR 270/15. Hiernach soll das Gericht, sofern der Mieter bei einem erzwungenen Wohnungswechsel schwerwiegende Gesundheitsgefahren geltend macht, bei fehlender eigener Sachkunde, ein Sachverständigen zur Hilfe ziehen, um nicht nur ein oberflächliches Bild über mögliche Folgen zu erlangen. Das jetzige Urteil konkretisiert das vorangegangene dahingehend, dass nun regelmäßig ein Sachverständigengutachten von Amts wegen einzuholen ist, sobald der Mieter eine schwerwiegende Gesundheitsschädigung im Falle eines erzwungenen Wohnungswechsels mittels Attest belegt hat. Darin ist zu klären an welchen Erkrankungen der Mieter konkret leidet und welche Auswirkungen ein solcher Wohnungswechsel genau mitbringt. Ferner soll hierbei auch geklärt werden, ob eine ärztliche und/oder therapeutische Unterstützung oder eine Unterstützung des Umfeldes die gesundheitlichen Auswirkungen abmildert.
Meine Schlussfolgerung aus Sicht eines Vermieters
Ich denke, dass es ein gutes Urteil für Vermieter ist, weil es mehr Rechtssicherheit fördert. Zuweilen war es wie Roulette spielen, ob eine Eigenbedarfskündigung vor Gericht stand hält oder eben abgewiesen wird. Das eine Gericht stützte sich auf das Alter des Mieters oder deren nachweislichen Krankheiten und das andere sah eher die Interessen des Vermieters. Aber klare Regeln für die Prüfung des Interessensüberhangs waren bisher nur schwammig formuliert und die Auslegung sehr breit gestreut.
Nun stellt der BGH klarere Grenzen für künftige Urteilsfindungen zu Verfügung. Ein nun stets einzuholendes Sachverständigengutachten soll im Prozess klären, welche Krankheiten der Mieter genau hat, wie sich diese explizit auf einen erzwungenen Wohnungswechsel auswirken und welche unterstützenden ärztlichen und/oder therapeutischen Maßnahmen die Auswirkungen abmildert oder gar neutralisiert.
Die Einholung einer individuellen und unabhängigen Fachmeinung ist ein Gewinn für Gerechtigkeit. Ein Hausarztattest hat immer den Beigeschmack der Bevorteilung des Patienten. Und nicht selten stützten sich Gerichte auf genau solche, wenn die Gegenpartei nicht außergewöhnliche Gegenargumente vorbringen konnten.
Natürlich wird ein solches Gutachten den Gerichtsprozess für die unterlegene Seite deutlich teurer machen, da die Einbeziehung eines Sachverständigen stets mehrere tausend Euro kostet. Das wiederum wird wohl auch Auswirkung auf die Klagefreude beider Parteien haben. Wenn man weiß, dass eine Niederlage Kosten in Höhe eines fünfstelligen Geldbetrags zur Folge haben kann, überlegt man sich zwei Mal, ob ein Gerichtsprozess wirklich sinnvoll/notwendig ist.
Alles in allem sehe ich bei dieser BGH-Entscheidung eher Vorteile bei Vermietern, da den zumeist eher mieterfreundlichen unteren Instanzen, klarere Vorgehensweisen auferlegt worden sind. Diese Tendenzen sehen scheinbar auch die ganzen Mieterbünde ähnlich, sodass diese sich in großen Teilen eher negativ zu dem Urteil geäußert haben.
Ich persönlich finde das Urteil gut und ich denke, dass es die Gerechtigkeit eher fördern wird, als es bisher tat. 100 prozentige Gerechtigkeit gibt es sowieso nicht und wird es auch nicht geben. Aber ich fühle mich und meine Interessen als Vermieter jetzt in diesem Bereich ein bisschen besser vor dem Gesetz aufgestellt, als es vorher der Fall war.
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